Bischofskonferenz: Opferschutz, Naher Osten, ökologische Umkehr
1. 15 Jahre Unabhängige Opferschutzkommission
Vor 15 Jahren hat die Österreichische Bischofskonferenz nach dem Bekanntwerden von Gewalttaten und von sexuellem Missbrauch im kirchlichen Bereich zahlreiche Maßnahmen gesetzt, um Betroffenen konkret zu helfen, seelische Verwundungen zu heilen und die Prävention zu stärken. Auf Ersuchen von Kardinal Christoph Schönborn und der Bischöfe hat damals Waltraud Klasnic die Aufgabe als Unabhängige Opferschutzanwältin übernommen. In der Folge hat sich unter ihrem Vorsitz die Unabhängige Opferschutzkommission konstituiert. Wenige Monate danach hat die Bischofskonferenz unter dem biblischen Leitwort "Die Wahrheit wird euch frei machen" (Joh 8,32) Richtlinien gegen Missbrauch und Gewalt im kirchlichen Bereich beschlossen, die seither gelten und zuletzt 2021 aktualisiert wurden.
Die Entwicklungen seit damals waren Thema eines Studientages der Bischöfe, von denen die allermeisten vor 15 Jahren noch nicht im Amt waren. Neben Waltraud Klasnic und weiteren Mitgliedern der Unabhängigen Opferschutzkommission haben auch Mitwirkende in der kirchlichen Stiftung Opferschutz und im Opferschutz-Beirat der Bischofskonferenz an den Beratungen teilgenommen.
Im Gespräch mit den anwesenden Expertinnen und Experten wurde festgestellt, dass sich der kirchliche Umgang mit Missbrauchsfällen grundlegend verbessert und sich die kirchlichen Richtlinien und Institutionen in Österreich bewährt haben. Sie sind beispielhaft geworden für ähnliche Einrichtungen im staatlichen und gesellschaftlichen Bereich und gelte weltweit innerhalb der Katholischen Kirche als vorbildlich. Gleichzeitig gilt es, darin nicht nachzulassen. Die Hilfe für Opfer, die Vorgangsweise bei Verdachtsmomenten und die Präventionsmaßnahmen müssen konsequent weitergeführt werden. Dazu zählen beispielsweise regelmäßige Schulungen für alle, die im kirchlichen Bereich hauptberuflich oder ehrenamtlich tätig sind. Der Einsatz für Missbrauchsprävention und Opferschutz ist nie abgeschlossen. Sie müssen für alle in der Kirche ein wichtiges Anliegen sein, vor allem aber für jene, die in der Kirche Verantwortung tragen.
Im Zentrum der Beratungen stand das Wirken der Unabhängigen Opferschutzkommission. Seit 2010 hat sie (mit Stand vom 31. Mai 2025) insgesamt 3.492 Fälle entschieden, in 3.214 Fällen zugunsten der Betroffenen. Insgesamt handelt es sich um 3.640 Betroffene von psychischer, physischer und/oder sexueller Gewalt, davon 2.271 Männer (62,4 Prozent) und 1.369 Frauen (37,6 Prozent). Den Betroffenen wurden bisher in Summe 37,7 Mio. Euro zuerkannt, davon 29,79 Mio. Euro als Finanzhilfen und 7,91 Mio. Euro für Therapien. Die Kirche hat alle Entscheidungen der Unabhängigen Opferschutzkommission umgesetzt.
Die allermeisten Vorfälle sind rechtlich verjährt und haben sich hauptsächlich in den 1960er- und 1970er-Jahren ereignet. 11,7 Prozent entfallen auf die 1980er-, 4,8 Prozent auf die 1990er-Jahre; 1,8 Prozent haben sich seit 2000 ereignet. 80 Prozent der Betroffenen berichten von psychischer Gewalt, 79 Prozent von körperlicher Gewalt, 27 Prozent von sexueller Gewalt und 11 Prozent von körperlicher und sexueller Gewalt, wobei Mehrfachnennungen möglich waren. Ein Großteil der Vorfälle hat sich in kirchlichen Heimen und Internaten ereignet.
Nach 15 Jahren wird Waltraud Klasnic mit Jahresende ihre Aufgabe als Opferschutzanwältin abgeben. Auf einstimmigen Vorschlag der Unabhängigen Opferschutzkommission wird Caroline List ab 2026 die Unabhängige Opferschutzanwaltschaft leiten. Ihre Beauftragung ist durch die Österreichische Bischofskonferenz im Einvernehmen mit der Österreichischen Ordenskonferenz erfolgt. Caroline List, im Hauptberuf Präsidentin des Landesgerichtes für Strafsachen Graz, ist seit 15 Jahren Mitglied der Unabhängigen Opferschutzkommission und wird künftig dort den Vorsitz führen. Die österreichischen Bischöfe danken beiden hochverdienten Frauen für ihren unschätzbaren Dienst an Betroffenen von Missbrauch und Gewalt.
Vieles ist in den letzten 15 Jahren im kirchlichen Einsatz gegen Missbrauch und Gewalt und für den Kinderschutz gelungen. Es macht das Leid jener nicht ungeschehen, die durch die Kirche und ihre Verantwortungsträger Schutz und Fürsorge gebraucht hätten, aber das Gegenteil erfahren haben. Es darf nie mehr passieren, dass das Ansehen der Institution über die Leiden der Opfer gestellt wird, dass Täter lediglich versetzt und Verbrechen vertuscht werden. Darauf haben sich die Bischöfe und alle kirchlichen Amtsträger in Österreich verpflichtet, und davon darf nicht mehr abgewichen werden.
Gewalt gegen und sexueller Missbrauch von Minderjährigen sind eine leidvolle Realität, vor allem im privaten Umfeld und in der ganzen Gesellschaft. Ziel muss eine breite gesellschaftliche Allianz sein, um das nach wie vor verbreitete Tabu darüber aufzubrechen und Kinder noch besser zu schützen.
2. Frieden und Sicherheit für alle im Nahen Osten
Mit großer Sorge verfolgt die Welt die erneute Gewalteskalation im Nahen Osten. Der Krieg zwischen Israel und dem Iran hat bereits zahlreiche Menschenleben gefordert und Zerstörung und Elend gebracht. Wir Bischöfe warnen eindringlich vor der latenten atomaren Bedrohung und einem Flächenbrand, der nicht mehr kontrolliert werden kann. Unser Mitgefühl und unsere Gebete sind bei den zivilen Opfern und ihren Angehörigen in Israel und im Iran; bei den Toten und Verwundeten und ihren Angehörigen, bei jenen, die ihr Zuhause verloren haben und flüchten mussten. Daher appellieren wir eindringlich an die Konfliktparteien, die Kampfhandlungen einzustellen, damit es nicht noch mehr Opfer gibt.
Papst Franziskus wurde nicht müde, Krieg zu verurteilen, der nicht nur keine nachhaltigen Konfliktlösungen bringt, sondern immer auch eine "menschliche Niederlage" ist. Papst Leo XIV. hat Frieden zu einem Leitwort für sein Pontifikat gemacht und die Verantwortlichen in Israel und im Iran eindringlich aufgerufen, von Gewalt abzusehen und Vernunft walten zu lassen. Er hat zudem auf die Pflicht aller Länder hingewiesen, sich für Frieden einzusetzen, Wege der Versöhnung zu beschreiten und Lösungen zu fördern, die Sicherheit und Würde für alle gewährleisten. Zugleich hat der Papst ausdrücklich betont: "Niemand sollte jemals die Existenz eines anderen bedrohen." Diesen Aufrufen und Mahnungen der Päpste möchten wir Bischöfe uns vollinhaltlich anschließen und festhalten: Alle Menschen im Nahen Osten haben ein Recht auf ein Leben in Frieden und Sicherheit. Gewalt und Gegengewalt können keinen nachhaltigen Frieden und Sicherheit für alle schaffen.
Unsere Gedanken sind in diesen Stunden auch bei den Christen im Heiligen Land, die schon bisher so sehr unter Krieg und den wirtschaftlichen Folgen gelitten haben. Nun steht das Leben wieder still. In gläubiger Verbundenheit denken wir zudem an die kleine christliche Minderheit im Iran, die nicht einmal ein halbes Prozent der Bevölkerung ausmacht. Die Christinnen und Christen gehören verschiedenen Kirchen an. Die meisten von ihnen bekennen sich zur Armenisch-apostolischen Kirche, es gibt dort aber auch katholische Gläubige. In Konflikten sind es immer die Minderheiten, die zuerst unter die Räder kommen. Umso notwendiger ist ein rasches Schweigen der Waffen, damit es nicht dazu kommt.
Wir Bischöfe danken der österreichischen Bundesregierung für alle Bemühungen auf bilateraler oder multilateraler Ebene, um der Gewalt im Nahen Osten ein Ende zu setzen. Inständig bitten wir alle um das beharrliche Gebet für den Frieden und laden die Gläubigen zu Gebetsinitiativen in dieser Intention ein.
3. Zehn Jahre "Laudato si" - die Welt braucht endlich eine ökologische Umkehr
Vor zehn Jahren, am 18. Juni 2015, veröffentlichte Papst Franziskus die Enzyklika "Laudato si" - Über die Sorge für das gemeinsame Haus. Mit diesem Schreiben erreichte der Papst die Gewissen so vieler "Menschen guten Willens", die sich für Gottes gute Schöpfung und ein sozial gerechtes Zusammenleben einsetzen. "Laudato si" hat in bis dahin beispielloser Deutlichkeit die ökologischen und sozialen Krisen unserer Zeit aufgezeigt und eine ganzheitliche Ökologie eingefordert, die Umwelt, Gesellschaft, Wirtschaft und Spiritualität zusammen denkt. Der Begriff der "ökologischen Umkehr" ist seither zu einem Leitmotiv kirchlicher Umweltarbeit geworden. Ihr geistlicher Quellgrund ist die Ergriffenheit von der Schönheit der Schöpfung, die Hoffnung schenkt und zur Tat drängt.
Zehn Jahre später steht die Weltgemeinschaft vor noch größeren ökologischen und sozialen Herausforderungen - vom Klimawandel über den Verlust der Artenvielfalt bis hin zu wachsender Ungleichheit. Ein nüchterner Blick auf den von Menschen verursachten Klimawandel macht deutlich, dass alle bisherigen Bemühungen noch weit davon entfernt sind, die zunehmende Erderwärmung einzubremsen. Auch und gerade in Europa schreiten Hitze, Trockenheit, Überschwemmungen und landwirtschaftliche Produktionsverluste weiter voran. Wie der jetzt veröffentlichte nationale Klimabericht zeigt, ist Österreich davon überdurchschnittlich stark betroffen.
Gleichzeitig ist das Bewusstsein für die Notwendigkeit einer "ökologischen Umkehr" bei sehr vielen Menschen gewachsen. Ermutigend sind die zahlreichen Projekte, die in den österreichischen Pfarren und Diözesen realisiert werden konnten. Sie sind so zahlreich und vielfältig wie das kirchliche Leben und die Umweltthematik: Von der energieautarken Schule, über Lebensmittelrettung, nachhaltige Friedhofsgestaltung, Gründung von Energiegemeinschaften bis hin zu Photovoltaik-Initiativen reichen die Projekte und das ehrenamtliche Engagement.
Mit der Enzyklika "Laudato si" hat Papst Franziskus 2015 ein christliches Lebensprogramm und ein Überlebensprogramm für die Menschheit vorgelegt. Die Katholische Kirche in Österreich wird sich weiter für eine "ökologische Umkehr" einsetzen und die lebens- und umweltfördernden Maßnahmen im eigenen Bereich intensivieren. Die auch in Österreich immer spürbareren Auswirkungen der Erderhitzung und die damit verbundenen Schäden und Gefahren machen deutlich: Die "Sorge für das gemeinsame Haus" ist eine Überlebensfrage und duldet keinen Aufschub mehr. Politik und Gesellschaft in Österreich müssen entschiedener als bisher in weltweiter Solidarität Verantwortung übernehmen.